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Sommertage in Norwegen

Wasser, Schnee & Felsen

Von Bergen nach Ulvik, über Kristiansand nach Stavanger

Anreise

Wir nehmen unseren Mietwagen in Bergen entgegen und verlassen die alte Hansestadt bei strömendem Regen. Mit ca. 2548 mm Niederschlag an 248 Regentagen im Jahr macht die 'regenreichste Großstadt Europas' ihrem Namen alle Ehre. Und da wir in aller Frühe gelandet sind, quälen wir uns jetzt durch den morgendlichen Berufsverkehr der Provinz Vestland und kommen nur langsam voran. Aber je weiter wir den Byfjord auf der E39 an der Westküste hinter uns lassen, desto entspannter wird auch der Verkehr und die Urlaubsgefühle stellen sich langsam ein.

Auf der E16 geht es weiter nach Westen und die Straße schlängelt sich am Sørf Jorden entlang, bevor wir die langsamere aber landschaftlich schönere Route zum Hardangerfjord wählen. Die Berghänge säumen das tiefe Wasser mit steilen Flanken und wo es möglich ist, haben Menschen ihre Siedlungen an den bestmöglichen Stellen erbaut. Und nicht nur das – Straßen und Eisenbahngleise haben erstaunlicher Weise auch noch Platz gefunden.

Ulvik, Hardangerfjord

Am Samnangerfjorden bricht dann sogar die Sonne durch die graue Wolkendecke und sogleich steigen die Temperaturen sommerlich in die Höhe. Und es gibt ein wenig Licht zum Fotografieren, als wir den Steindalsfossen passieren. Anscheinend der meistbesuchte Wasserfall Norwegens mit einer Höhe von ca. 50 m. Ein Weg führt hinter den Wasserfall, so dass Besucher zwischen Felswand und Wasser gelangen können. In Oystese machen wir am Wasser Pause und genießen die Sonne, bevor wir uns mit ständig wechselnder Beleuchtung den Hardangerfjordvegen entlanghangeln.

Mit einem etwas mulmigen Gefühl passieren wir auf der Nordseite des Hardangerfjords den über 7 km langen Vallaviktunnel, der sich pfeilgerade durch den äußerst grob behauenen Stein bohrt. Alle paar Meter zieht der Schein einer besseren Bauleuchte über die Windschutzscheibe in der sonst tiefschwarzen Röhre. Einer der ältesten Tunnel Norwegens verfügt auch nicht über Ausweichbuchten oder Gehwege neben der Fahrbahn. Und so sind wir ganz froh, als wir wieder das Tageslicht direkt am Fähranleger sehen.

Wir erreichen am frühen Abend das Brakanes Hotel by Fjordtind in Ulvik. Das Erscheinungsbild erinnert uns ein wenig an ein Sanatorium – aber von unserem Zimmer haben wir einen spektakulären Blick nicht nur über die gesamte Anlage, sonder vor allem den Ulvikfjorden, einen Ausläufer des Hardangerfjords.

Am Abend bestellen wir in leichtsinniger Touristenmanier ein lokales Bier zum Menü und verbuchen dann die Flasche mal mit lockeren 16 Euro ...

Beginnender Sommer in der Hardangervidda. Das Land um uns herum befreit sich nur langsam von den Schneefeldern des vergangenen Winters.

Vøringsfossen, Eidfjord

Am Morgen fahren wir bis kurz vor den Vallaviktunnel, um mit der Fähre den Fjord zu überqueren. Die Fahrt ist kostenlos, denn es gibt die Hardangerbrua noch nicht, die beide Ufer miteinander verbindet. Wir genießen die Fahrt entlang des Fjords und biegen in Eidfjord in die Berge ab und schlängeln uns das Bjoreio-Tal hinauf. Kurz vor dem Ziel schrauben wir uns über 3 Kehrtunnel in die Höhe – eine beachtliche Verkehrsführung, die man eher aus dem Bereich der Eisenbahn kennt, als aus dem Straßenverkehr.

Der 183 m hohe Wasserfall am Westrand der Hardangervidda liegt vor uns – die größte Freifallstrecke am Fuße beträgt dann aber nur 145 m. Im Jahr 1980 wurde der Fluss für die Stromerzeugung reguliert, wodurch erhebliche Wassermengen leider nicht mehr zu sehen sind. Die Wassermenge ist daher eingeschränkt, wird allerdings aus touristischen Gründen im Sommer deutlich erhöht, was dann in etwa wieder der natürlichen Durchflussmenge entspricht. Ein Wasserfall zum Ein- und Ausschalten also ...

Wir folgen dem Wasser und fahren dem Sysendalen bis in die Hardangervidda, die noch von großen Schneefeldern beherrscht wird. Es ist August und der kleine Fluss Bjoreio trägt schäumend über zahlreiche Kaskaden das Schmelzwasser in den Fjord.

Wir hören, ein Ausflug auf die Alm Kjeåsen lohnt sich. Und dank eines Tunnels ist diese Alm auf 530 m Höhe für den normalen Verkehr erreichbar. Eine schmale Passstraße schraubt sich vom Kraftwerk am Ende des Fjords sehr alpin in die Höhe, bevor man die Ampelphase am Tunneleingang abwarten muss. Im Licht des Scheinwerfers führt dann die enge Röhre durch den Berg, macht einen knapp 110°-Knick und entlässt jeden, der hier ankommt, mit einem großartigen Ausblick über den Eidfjord.

Wir fahren nach Voss, am Vangsvatnet-See. Bei einem deutschen Luftangriff 1940 wurde der Ort größtenteils zerstört, weshalb nur wenige alte Gebäude erhalten sind. Eigenartige Stille liegt über der Stadt – nur Lärm vom Güterbahnhof dringt in unsere Ohren. Nachdem wir die Stille am See genossen haben, fahren wir durch die Berge zurück. Die 572 schlängelt sich durch die Berge und die untergehende Sonne unterhält uns mit einem farbenfrohen Spiel, als wir die Espenland-Seen passieren, bevor wir wieder hinunter nach Ulvik kommen.

Von Odda nach Kristiansand

Heute Vormittag folgen der Fernverkehrsstraße 13 nach Süden, entlang des Sørfjords, der in Odda endet. Der Seitenarm des Hardangerfjords ist berühmt wegen seiner Apfelplantagen, wie uns ein kurzer Halt am Sommerwohnsitz von Edward Grieg in Lofthus verdeutlicht.

In Ullensvang stürzen sich gleich zwei imposante Wasserfälle über die hohen Seitenwände der Fjordhänge. Entlang des Grønnsdalslona Tals reihen sich zahlreiche Wasserfälle aneinander – einer der bekanntesten ist der Zwillingswasserfall des Låtefossen, westlicher Abfluss der Hardangervidda, mit einer Gesamtfallhöhe von 165 m.

Jeden Kilometer weiter wird unsere Route steiler, als wir die schneesicherste Skiregion von Norwegen durchkreuzen. Von Skare durch das Røldal über die schneebedeckte Hochebene des Haukelifjell bis Haukeli. Dort verlassen wir die Einsamkeit von Norwegens Wasserscheide zwischen Vestland und der Telemark und fahren auf der 9 nach Süden in Richtung Hovden, am Otra Tal entlang bis Hægeland.

Von nun an geht es nach Südosten, die Landschaft wird lieblicher und die Orte zahlreicher, bis wir am Abend die schmucklose Flächenstadt Kristiansand erreichen. Die Hauptstadt des Sørlandet wurde bereits im Mittelalter militärisch ausgebaut. Wegen der strategisch wichtigen Lage am Skagerrak fallen die zahlreichen Festungsbauwerke auf, die auf den Inseln vor dem Hafen angelegt worden sind. Unser Hotel liegt zwar absolut zentral in den Kvadraturen der Altstadt, die nach mitteleuropäischen Vorbildern im 17. Jahrhundert mit Gewalt umgesetzt wurden, aber der Standard lässt mehr als zu wünschen übrig. Aber am Austernhaven, neben der Christiansholm-Festning am Fischmarkt, finden wir ein kleines Restaurant, dass uns mit einer ordentlichen Mahlzeit belohnt.

Lindesnes

Wir verlassen den traurigen und industriellen Teil der sandigen Landzunge an der Mündung des Otra und machen Halt in Mandal. Wir schlendern durch die engen Gassen der Altstadt und suchen nach Motiven bevor wir zum Leuchtturm in Lindesnes, dem südlichsten Festlandspunkt Norwegens fahren. Auf dem Turm haben wir einen Blick auf den vorgelagerten Schärengarten mit mehreren größeren Inseln, die heute im Grau des Horizont verschwimmen.

Am späten Nachmittag machen wir uns auf, weil wir noch nach Kvinesdal wollen. Kvina ist heute der Name des Flusses, der durch selbiges Tal fließt und in den Fedafjord mündet. Wir bleiben heute im modernen und architektonisch ungewöhnlichen Utsikten Hotell, das direkt über dem engen Tal des Kvina thront und mit einer spektakulären Aussicht belohnt.

Preikestolen

Am Lauvvik Ferjekai kreuzen wir den Høgsfjorden und setzen nach Oanes über: heute geht es nämlich zum Preikestolen (die Kanzel oder wörtlich der Predigtstuhl), eine natürliche Felsplattform in 604 m Höhe direkt am Lysefjord.

Die Plattform ist vom Endpunkt der ausgeschilderten Straße bei Preikestolhytta nur über einen Wanderweg erreichbar. Also lassen wir das Auto am Revsvatnet und machen uns auf die ca. 3,8 km lange Tour mit einem Höhenunterschied von 330 Metern. Klingt einfach, aber norwegische Wanderwege halten meist Überraschungen bereit, wie wir feststellen:

Der erste Teil des Weges führt gleich mal steil einen Höhenrücken hinauf, damit man dann fast ebenerdig über Bohlenpfade durch matschigen Wald und den Sumpf Krogabekkmyra ein Geröllfeld erreicht. 100 m in einem gefühlt überdimensionierten Bachbett hinauf.

Von dort aus geht es dann 2,5 km über eine leicht schräge Hochebene mit ein/zwei Verwerfungen an der Seengruppe Tjødnane vorbei zu einem mit Treppen und Geländer gesicherten Stück um ein paar Felsnasen herum bis auf die ungesicherte Plattform.

Höhenprofil

Felsplattform in 604 m Höhe.

Das 25 mal 25 Meter große Felsplateau ist alles andere als eben. Und an den Kanten nicht gesichert. Man sollte diesem besonderen Ort also mit Respekt begegnen.

Witzigerweise ist das anspruchsvollste Stück überhaupt nicht gesichert. Auf einem kleinen Absatz läuft man entlang des Felsen auf der einen Seite und dem Abbruch auf der anderen. Und dann kommt ein Schritt über eine Felsspalte, unmittelbar vor der Plattform. Bereitet viel Freunde – insbesondere bei Regenwetter ...

Stavanger bis Haugesund

Von Tau lassen wir uns mit der Fähre nach Stavanger bringen und machen dort Station. Wobei wir die Zeit nicht aus dem Blick verlieren dürfen, denn wir müssen noch die letzte Fähre Mortavika-Arsvågen bekommen. Die Inseln nördlich der Stadt sind mit sensationellen Tunneln verbunden. Steil geht es kerzengerade hinunter, um dann nach dem Scheitel unmittelbar wieder genauso steil nach oben zu gehen. Keine sanfte Kurve, sonder eher ein 'V'. Aber ein seltsames Gefühl, wenn man sich überlegt, wieviel Wasser sich gerade über einem befindet.

Das Licht der Sonne taucht jetzt den Schärengarten in goldene Farben und fast vergessen wir, dass wir ja ein Schiff kriegen müssen! Quasi als letztes Fahrzeug dürfen wir noch mit und schauen auf dem Vordeck der Sonne zu, wie sie am Horizont hinter einem Wolkenband verschwindet.

Nach der Anlandung geht es schon weiter in die Dämmerung. Wir sind leider so spät unterwegs, dass wir die schönen Brücken-Kombinationen über die Schären nicht mehr ablichten können. Und so fahren wir bald durch die Nacht und erreichen Haugesund für nur wenige Stunden, bevor es am nächsten Tag wieder nach Bergen geht.

Bergen

Das Land verabschiedet sich von uns, wie es uns empfangen hat: mit Regen. In unserer verbliebenen Zeit erkunden wir die Metropole am Meer zu Fuß. Tyske Brygge, das Herzstück der Stadt mit dem historischen Zentrum verdeutlicht die lebendige Geschichte der Hanse in Norwegen. Fast alle Häuser sind aus Holz gebaut und erstrahlen farbenfroh in Rot- und Gelbtönen. Direkt daneben liegt der Fischmarkt am Wasser und bietet gefühlt tonnenweise leckere Spezialitäten des Landes.

Impuls

Die Schweiz des Nordens

Dass Norwegen nicht das günstigste Land für die Urlaubskasse ist, ist allgemein bekannt. Aber was dann für Preise für die einfachsten Dinge abgerufen werden, hat uns dann doch ein wenig schockiert. Es ist einfach alles teuer – und das reicht von (lokalem) Obst, über den Fisch (den es ja eigentlich vor jeder Haustüre hat) bis hin zum Alkohol.